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5.  Mai 2011

August  2011

Eine unscheinbare, kurvenreiche kleine Strasse zieht sich durch den idyllischen Mischwald. Ein Schild weist den Weg. Das war nicht immer so: Zu DDR- Zeiten war dies ein geheimer Ort, heute ist das Areal Teil eines ausgedehnten Wandernetzes rund um den Bogensee. Am Ende eröffnet sich ein riesiges Areal mit parkähnlichen Grünflächen und vier eindrucksvollen, T- förmigen und teilweise mit Säulen versehenen Gebäuden im Zuckerbäcker- Stil. Bis zur Wende war hier im Wald zwischen Lanke und Wandlitz, 15 Kilometer nördlich von Berlin, die FDJ -Jugendhochschule „Wilhelm Pieck“ untergebracht.


1936 schenkte die Stadt Berlin den Bogensee und 496,3 Hektar Land mit einem am Ostufer des Sees errichteten Blockhaus Reichspropagandaminister Goebbels zu dessen 39. Geburtstag auf Lebenszeit. Dieses durchaus massiv ausgelegte Gebäude bestand nur teilweise aus Holz. Da es für Goebbels’ Bedürfnisse bald nicht mehr ausreichte ließ er 1939 westlich des Sees in einiger Entfernung vom Ufer einen neuen Landsitz im Heimatstil errichten.


Das Hauptgebäude mit Walmdach und Natursteinsockel besitzt 30 Zimmer mit einer Grundfläche von 1600 m². Dazu kamen ein Wirtschaftsgebäude und ein Gästehaus mit Besprechungszimmer, in dem auch SS -Wachmannschaften untergebracht waren, und 1944 ein Hausbunker. Das Landhaus war mit einem eigenen Wasser- und Klärwerk, einer kaum sichtbaren Klimaanlage, einem Kino, nach unten versenkbaren Fenstern und einem Zimmer mit zwei Kaminen ausgestattet. Das Anwesen wurde zu einem beliebten Treffpunkt von Künstlern und Schauspielern wie Zarah Leander und Heinz Rühmann.


Alle Gebäude wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis 1946 als Lazarett genutzt. Täglich reisten Offiziere der vier Alliierten Mächte aus Berlin an, um auf dem zu Berlin gehörenden Land ihre Fahnen zu hissen und abends wieder einzuholen. Am 9. März 1946 wurden das Gelände und die Gebäude von der Sowjetischen Militäradministration Deutschland (SMAD) an die erst zwei Tage zuvor am 7. März gegründete FDJ übergeben, die dort die Zentraljugendschule der Freien Deutschen Jugend, Waldhof am Bogensee einrichtete. Im Landhaus wurden ein Kindergarten, eine Konsum -Verkaufsstelle, ein Friseur sowie Wohnräume für den Direktor und den Verwaltungsleiter untergebracht. Später befand sich auch eine Gaststätte im Haus.

1950 wurde der FDJ -Jugendhochschule der Name des ersten Präsidenten der DDR, Willhelm Pieck, verliehen. Am 16. Oktober 1951 erfolgte die Grundsteinlegung für die Erweiterungsbauten der Hochschule: Lektionsgebäude, Internat (Hörerwohnhäuser genannt) und Gemeinschaftshaus sowie die Gestaltung der innerhalb des Komplexes gelegenen Frei- und Grünflächen mit diversen Brunnen und Skulpturengruppen. Die Arbeiten erfolgten durch den Architekten der Berliner Stalinallee, Hermann Henselmann, im Stil des Sozialistischen Klassizismus. 


Zunächst kamen die Schüler aus allen Teilen Deutschlands, später empfing die Jugendhochschule immer mehr Jugendliche aus den befreundeten sozialistischen Ländern um - hermetisch abgeschirmt - in Fächern wie „Wissenschaftlicher Kommunismus“ oder „dialektischer Materialismus“ unterrichtet zu werden. Seit Mitte der 1970er -Jahre absolvierten auch Studenten aus sogenannten kapitalistischen Ländern die Jugendhochschule, darunter aus der BRD, Dänemark, Griechenland, Chile oder Grenada,  in der Hoffnung dass die Saat des Sozialismus anschließend in den Westen getragen werde.

Einige Studenten hatten sich unter falscher Identität immatrikulieren lassen, da sie in ihren Heimatländern politischer Verfolgung ausgesetzt waren. Zahlreiche Legenden ranken sich um das verborgen im Wald gelegene Gelände. Sogar Kämpfer der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO sollen hier ausgebildet worden sein.


In einer zweiten Bauphase wurde nach 1980 im Landhaus ein Restaurant für repräsentative Zwecke eingerichtet und weitere Neubauten - eine Sporthalle, ein Heizhaus und ein weiteres Internatsgebäude - ergänzten den Hochschulkomplex. Im Lektionsgebäude wurde die zweitgrößte Simultananlage der DDR mit 18 Fremdsprachenkabinen und 560 Sitzplätzen errichtet.

Im Keller befand sich aber auch - von den Schülern geheim gehalten - das Abhörsystem für die Telefonanlage, jedes Gespräch der FDJ- Schüler konnte per Knopfdruck belauscht werden.

1981 fand die Pressekonferenz des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt während seines Besuchs in der DDR in der Jugendhochschule am Bogensee statt. Zur Vorbereitung wurden für rund 70 Millionen Mark die gröbsten Bauschäden beseitigt und das Haupthaus erhielt einen frischen Anstrich.


1991 wurde die Jugendhochschule mit dem Zusammenbruch der DDR abgewickelt, das gesamte Gelände fiel wieder an das Land Berlin als Eigentümer. Zunächst zog der gemeinnützige Internationale Bund für Sozialarbeit als Nutzer ein. Nun wurden Jugendliche für die Sozialarbeit ausgebildet, ein Gebäude diente auch als Hotel. Weil das Konzept defizitär war gab es danach neue Projekte wie von 1991 bis 1999 das Internationale Bildungszentrum. Wegen zu hoher Energiekosten musste das 160 000 Quadratmeter große Areal jedoch aufgegeben werden. Seither stehen die denkmalgeschützten Gebäude leer und sind dem Verfall preisgegeben.


Der Berliner Liegenschaftsfonds der das Areal verwaltet, sucht für die FDJ- Schule seit langem einen Käufer für das gut erhaltene Ensemble, das rund um die Uhr durch einen Wachschutz gesichert und im Winter sogar beheizt wird, um dem Verfall vorzubeugen – bislang vergeblich. Zuletzt musste im Sommer 2008 ein geplantes Bieterverfahren abgesagt werden, aus Mangel an ernstzunehmenden Interessenten. Ideen für eine Nutzung gibt es viele: Der Gebäudekomplex würde sich als Wellnesshotel, Rehaklinik, Jugendhilfe -Einrichtung oder gar als Unternehmensrepräsentanz eignen, heißt es beim Liegenschaftsfonds. Wenn sich ein Investor mit tragfähigem Konzept und Bankbürgschaft melde, könne man über einen symbolischen Preis verhandeln. Anders sieht es bei Goebbels’ Landhaus aus: Das will der Fonds auf keinen Fall auf dem freien Markt anbieten – um rechtsradikale Kreise fernzuhalten. Das Landhaus des Propagandaministers in den Händen von Neonazis, was für eine Vorstellung. Stattdessen sucht man weiter nach einer landeseigenen Nutzung.