DIE HEILSTÄTTEN BEELITZ
DIE HEILSTÄTTEN BEELITZ
Die Zahl der an “Schwindsucht” Erkrankten ging in Deutschland zur Jahrhundertwende in die Million. Besonders betroffen waren die minderbemittelten Arbeiter und Tagelöhner der industrialisierten Gesellschaft. Überbevölkerung und Überbelegung in den Mietskasernen und Hinterhöfen Berlins, katastrophale hygienische Bedingungen, fehlende gesundheitliche Vorsorge, Mangelernährung und schwere körperliche Arbeit waren die Hauptursachen der immer stärker um sich greifenden Volksseuche Tbc. Allein im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts war jeder dritte Todesfall und jede zweite Arbeitsunfähigkeit auf Tuberkulose zurückzuführen.
1882 entdeckte Robert Koch den Tuberkel-Bazillus. Die in der Folgezeit gesammelten ersten Erfahrungen im Kampf gegen die Tuberkulose zeigten, dass die medizinische Behandlung - insbesondere im Frühstadium der Krankheit - vor allem auf die Stärkung des Organismus in seiner Gesamtheit auszurichten war. Als Anforderungen an den Bau spezieller Heilstätten wurden eine hygienisch-diätetische Allgemeinbehandlung und möglichst ausgiebige Aufenthalte im Freien formuliert.
Die zwischen 1898 und 1930 von der Landesversicherungsanstalt Berlin errichteten Arbeiter-Lungenheilstätten Beelitz - Heilstätten bilden einen der größten Krankenhauskomplexe im Berliner Umland. Das zu der damaligen Zeit mustergültige, inzwischen denkmalgeschützte und äusserst eindrückliche Ensemble von 60 Gebäuden befindet sich auf einer Gesamtfläche von ca. 200 ha inmitten des Beelitzer Stadtwaldes. Das Gelände befindet sich etwa 40 km südwestlich Berlins an der Bahnstrecke Berlin - Güsten.
In zwei Bereichen nördlich der Bahnlinie entstanden die Lungenheilstätten, in den beiden südlich gelegenen Bereichen die Sanatorien zur Behandlung nicht ansteckender Krankheiten. Die Bereiche waren jeweils nach Geschlechtern getrennt: westlich der Landstraße die Frauen-Heilstätten und -Sanatorien, östlich derselben die Männer- Heilstätten und -Sanatorien. Ebenso lagen diejenigen Betriebsgebäude in denen überwiegend Frauen beschäftigt waren, westlich und solche in denen überwiegend Männer beschäftigt waren, östlich. Die erste Bauphase erfolgte 1898 bis 1902 unter den Architekten Julius Boethke (1864 - 1907) und Heino Schmieden (1835 - 1913), interressanterweise auch Architekt des Schlosses Hünegg am Ufer des Thunersees in der Nähe von Hilterfingen. In der zweiten Bauphase 1905 bis 1908 wurde die Bettenzahl von 600 auf 1200 erhöht. Der Architekt war Fritz Schulz, der auch in der dritten Bauphase 1926 - 1930 verantwortlich war.
Die zunächst auf 600 Betten ausgelegte Anlage war mit ihren Versorgungs- und Nebengebäuden von Beginn an auf die bis zu dreifache Patientenzahl ausgerichtet und dimensioniert. Bauliches Kennzeichen der Anlage war die exakte Anordnung der Krankenpavillons in West- Ost- Richtung, so dass auf einer Gebäudeseite die Patientenzimmer, die Liegehallen und Terrassen für eine intensive Licht- und Sonneneinstrahlung direkt nach Süden ausgerichtet waren. Die Räumlichkeiten waren modern und zweckmäßig eingerichtet. Die bauliche Repräsentation beschränkte sich im Inneren wie im Außenbereich auf ein Minimum. Merkmale der Außenanlagen waren die Liegehallen und sogenannten Luftbäder sowie weitläufige Spazierwege in dem mit Laubäumen bepflanzten Kiefernwald.
Im Ersten und Zweiten Weltkrieg dienten die Beelitz- Heilstätten als Sanatorium für erkrankte und verwundete Frontsoldaten. Unter den rund 17500 Rekonvaleszenten die zwischen 1914 und 1918 in Beelitz untergebracht wurden, befand sich 1916 für einige Wochen auch der Gefreite Adolf Hitler.
Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Heilstätten teils schwer beschädigt, die heute noch zu sehende mächtige Ruine des Pavillon B IV zeugt noch davon, auf dem Gebäude ist inzwischen ein kleiner Wald gewachsen. Nach dem Ende des Krieges wurde das Gelände von der russischen Armee komplett zur militärischen Sperrzone erklärt. Fortan dienten die Heilstätten von 1945 bis 1994 als das größte Militärhospital der sowjetischen Armee außerhalb der Sowjetunion. Viele Beschriftungen, eigenartige Farbkombinationen und herumliegende Zeitungen sind die letzten stummen Zeugen aus dieser Zeit. Dies war auch der Aufenthaltsort des an Leberkrebs erkrankten Erich Honecker, bevor er und seine Frau Margot am 13. März 1991 nach Moskau ausgeflogen wurden.
Einige Gebäude, vor allem die Arztvillen und Pförtnerhäuschen wurden inzwischen saniert. Jedoch als Folge der Insolvenz der Eigentümergesellschaft im Jahr 2001 ist die weitere Neunutzung des Geländes inzwischen ins Stocken geraten. Auch die Sanierung der Denkmalsubstanz wurde weitgehend eingestellt. Ein großer Teil der sehenswerten Anlage verfällt inzwischen und ist vom Vandalismus stark beschädigt.
Der einfacheren Uebersicht und der zu den einzelnen Gebäuden gefundenen Historie wegen habe ich folgenden Link mit den Bildinhalten angelegt:
Oktober 2009
Eine neue Serie von Aufnahmen aus dem Jahre 2010 siehe hier: Beelitz Heilstätten