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5.  Mai 2011

Juli  2011

Das „KdF Seebad der 20‘000 - Paradies der Volksgemeinschaft“.


Unwirklich gelegen in einer weiten Meeresbucht zwischen Niemandsland und einem sandigen Band aus Kiefernwald und Ostseestrand. Ein Riesenkomplex aus purem Beton am nordöstlichen Ende der Insel Rügen. Insgesamt knapp 5 km lang, unterteilt in zwei Abschnitte Nord und Süd: jeder Abschnitt enthielt alleine 4 Segmente zu je 10  fünfgeschossigen Treppenhäusern. Diese Zahlen vermögen die Dimensionen dieses gestrandeten Kolosses allerdings nicht wirklich wiederzugeben, man muss es erlebt haben.


Während der Zeit des Nationalsozialismus betrieb der Staat eine umfangreiche, ideologisch besetzte Sozialpolitik. Die Organisation Kraft durch Freude sollte durch Projekte wie den KdF- Wagen (VW Käfer) und günstigen Urlaub den allgemeinen Lebensstandard der Bevölkerung heben. Neben Kreuzfahrten auf KdF-eigenen Schiffen wurde 1935 die Idee geboren, den Bau von insgesamt fünf Seebädern für jeweils 20.000 Menschen zu planen, die günstig und propagandistisch beeinflusst jeweils zwei Wochen im Jahr Urlaub zu machen und zwar so dass der Einzelne innerhalb einer Woche dieselbe Erholung geniessen sollte wie sonst normalerweise in 3 oder 4 Wochen. Die umfassende Aufrüstung und der geplante Krieg war ohne erholte, gesunde Arbeiter unmöglich zu realisieren.


Das einzige in Teilen realisierte und mit beschlagnahmten Geldern aus Gewerkschaften finanzierte Projekt aus diesem Plan ist das von Clemens Klotz entworfene KdF-Seebad  Prora. Die Planungen sahen vor, für die Unterbringung der Urlauber acht jeweils 550 Meter lange, sechsgeschossige, völlig gleichartige Häuserblocks mit insgesamt 10.000 Gästezimmern zu errichten. Das Leben in der Ferienanlage sollte, dem totalitären Anspruch des Systems folgend, in der Gemeinschaft stattfinden. Zu diesem Zweck waren Gemeinschaftshäuser mit Gastronomie- und Wirtschaftsräumen sowie Kegelbahnen und Leseräumen geplant, die in regelmäßigen Abständen „wellenbrecherartig“ küstenwärts aus der Häuserfront heraus gebaut wurden. Offene, beheizbare Liegehallen innerhalb der Bettentrakte sollten den Urlaub vom Wetter unabhängiger machen. Als weitere Gemeinschaftseinrichtungen sollten unter anderem zwei je 100x40m grosse Wellenschwimmbäder , ein Kino und mehrere Gastronomiebetriebe errichtet werden. Weitere zentrale Elemente der Anlage waren der in der Mitte zwischen den Blocks geplante Aufmarschplatz und die Kaianlagen, die ein Anlegen von Seebäderschiffen ermöglichen sollten.

Parallel zu den Anlagen für die Urlauber musste die komplette Infrastruktur für eine derartige Menge Menschen aufgebaut werden. Landeinwärts wurden zu diesem Zweck ein Bahnhof, Personal- und Wirtschaftsgebäude geplant und auch zum Teil realisiert.


Damals fanden die Bauarbeiten internationale Beachtung. So wurde bei der Weltausstellung 1937 in Paris ein Modell des Seebades Prora mit einem Grand Prix ausgezeichnet. Von der ursprünglichen Planung der Hauptanlage konnten bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges jedoch nur die Bettenhäuser und die südliche Festplatzrandbebauung fertiggestellt werden. Bei Kriegsbeginn 1939 wurden die Bauarbeiten nämlich weitgehend gestoppt. Mit Ausnahme eines Blocks waren die acht Wohnblöcke, die südliche Festplatzrandbebauung und die Kaianlage bereits im Rohbau fertiggestellt, nicht jedoch die Schwimmbäder, die Festhalle und weite Teile der Wirtschaftsgebäude. Sie wurden niemals verwirklicht. An den Rohbauten wurden noch die nötigsten Sicherungsarbeiten durchgeführt, dann wurden die Bautätigkeiten endgültig eingestellt.

Im Krieg diente die Anlage als Ausbildungsstätte für Luftwaffenhelferinnen und ein Polizeibataillon. 1943 wurden Teile der südlichen Blocks ausgebaut, um Ersatzquartiere für ausgebombte Hamburger zu schaffen. Ab 1944 diente Prora der Wehrmacht als Lazarett und gegen Ende des Krieges fanden dort auch Flüchtlinge aus den Ostgebieten eine Bleibe.

Als ab Mai 1945 die Sowjetunion die Kontrolle auf Rügen übernahm, wurde die Anlage zur Internierung von Grundbesitzern und weiterhin zur Unterbringung von Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten genutzt. Teile der Anlagen wurden für den Abtransport als Kriegsreparationen demontiert. Zwischen 1948 und 1953 wurden die Bauten von der Roten Armee genutzt, die den südlichsten Rohbau sprengte und abtrug. An den beiden nördlichsten Häuserblocks wurden ebenfalls Sprengübungen durchgeführt. Die Bauten wurden dabei aber nur schwer beschädigt und blieben teilweise stehen. Die nach 1949 ebenfalls eingezogene Kasernierte Volkspolizei, aus der 1956 die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR hervorging, nutzte die Gebäude als Kaserne und erklärte das umliegende Gebiet zum Sperrgebiet. Die entsprechenden Umbauten waren 1956 abgeschlossen, danach wurden in Prora bis zu 10.000 Soldaten stationiert.

Nach der Deutschen Wiedervereingung 1990 übernahm die Bundeswehr die Anlage, stellte die Nutzung jedoch bereits Ende 1992 wieder ein und verließ Prora.


Seit Anfang 1993 ist die inzwischen denkmalgeschützte  Anlage öffentlich zugänglich. Verschiedenste geplante und umgesetzte Umnutzungen aber auch Veräusserungen der einzelnen Blöcke prägten die Zwischenzeit der Anlage. Im September 2010 wurden bisher nicht umgesetzte Planungen bekannt gegeben, nach denen eine deutsch-österreichische Investorengruppe ab 2011 die Blöcke I und II sanieren will. Vorgesehen ist der Bau von 400 teils altersgerechten Wohnungen, eines Hotels mit 300 Betten samt Tennishalle und Schwimmbad sowie eines kleinen Einkaufszentrums.

Im nördlichen Teil des Komplexes (Block V) wurde im Juli 2011 eine Jugendherberge mit 402 Betten in 96 Zimmern eröffnet. Im Innern der Jugendherberge kann ein ein Eindruck erhascht werden wie die Anlage zu einer touristischen Nutzung in der damaligen Zeit ausgesehen haben könnte.











Werbeplakat 1939


Zeichnung von Gerda Rotermund 1938


Aufnahme des Modells  1939