Ab etwa 1870 entwickelte sich der Ort zu einem bedeutenden Luftkurort. Im Jahre 1890 wurden hier die ersten Sanatorien gebaut. Um 1900 erlangte das Dorf internationalen Ruf als Behandlungsort für Tuberkulosekranke. Die Patienten wurden einer Sonnentherapie (Heliotherapie) unterzogen, für das Dorf mit seiner Südhanglage, geschützt von kalten Nordwinden und meist oberhalb der Dunst- und Hochnebeldecke des Rhônetals besonders geeignet war. In der Folge entstanden zahlreiche Sanatorien (während der Hochkonjunktur insgesamt etwa 80).


Eines der Gebäude das für die Heliotherapie nach Auguste Rollier umgewandelt wurde war Les Chamois. Erbaut durch den Architekten Henri Verrey, der auch diverse andere Sanatorien im Ort erbaute, wurde es im Jahre 1902 eröffnet und war ursprünglich ein Alpine Tourist Hotel. Dr. Auguste Rollier - man nannte ihn auch „Dr. Sun“ - kam im Winter 1903 ins Dorf und kaufte das Hotel Chamois drei Jahre später.


Nicht nur durch seine Form und Größe strahlt das Sanatorium Chamois Selbstbewusstsein aus, durch den damals üblichen „Heimatstil“  und sein umfangreiches Mansardendach passt sich das markante Gebäude seiner ländlichen Umgebung wunderbar an. Während die Nordseite sehr einfach gehalten ist, wird die Südfassade von den relativ tiefen Balkonen aus Holz eindrucksvoll geprägt. Auf diese Balkone konnten die Lungenkranken samt ihren Betten an die Sonne gefahren werden.


Nachdem Antibiotika zur Behandlung der Lungenkrankheiten entdeckt wurde erlitt der Höhenkurort nach dem zweiten Weltkrieg einen wirtschaftlichen Einbruch. Die meisten Sanatorien wurden geschlossen oder zu Hotels und Ferienwohnungen umgebaut. Durch den wiederaufkommenden Fremdenverkehr seit den 1950er Jahren konnte der wirtschaftliche Niedergang bald kompensiert werden.

So wurde auch das Sanatorium du Chamois ab dem Jahre 1958 durch eine neue Käuferschaft umgenutzt: Fred und Sigrid Ott, Gründer diverser International Schools gründeten 1949 das "International Ranger Camp", welches ursprünglich für die Kinder von US-Militärpersonal gedacht war. Das Camp sollte ein Ort sein wo Kinder aus aller Welt in Harmonie zusammen leben konnten. Diese Vision wurde dann mehr als nur ein Sommerlager und zog schliesslich Studenten aus der ganzen Welt an.


Weshalb das Haus schliesslich verlassen wurde ist mir bisher nicht bekannt. Die Umnutzung Ende der fünfziger Jahre erklärt den typischen, einfachen Stil der Zeit in der Ausstattung der Waschräume. Leider wurde dadurch viel vom einstigen Charme des Hauses geopfert. Sämtliche Badewannen wurden entfernt und durch damals zweckmässige Duschen und moderne Sanitäreinrichtungen ersetzt.


Heute strahlt das Haus den maroden Charme eines verlassenen Schulheimes aus, bei genauerem Hinsehen erhascht man jedoch sofort einige Einblicke in die einstige Zeit nach der Jahrhundertwende...

September 2010

Aufnahme von 1946



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